Wie EVU trotz Corona eine gute Kundenbeziehung erhalten können
Social Distancing, HomeOffice, Kontaktbeschränkung, Kurzarbeit – Die Herausforderungen der Corona-Krise belasten den Kontakt zwischen Energieversorgen und ihren Kunden massiv. Wer jetzt die Weichen stellt, um eine möglichst große Bandbreite an Kommunikationskanälen anzubieten, meistert nicht nur die Pandemie. Er stellt sich auch zukunftssicher auf.
Die Corona-Pandemie ist der „Brandbeschleuniger“ der Digitalisierung. So schallt es seit Monaten aus allen Branchen. Ganze Industrien, wie zum Beispiel die Eventbranche oder die Fitnessanbieter, versuchen ihr sehr analoges Geschäftsmodell ins Internet zu verschieben. Ob die Kunden mitgehen und vom Sofa aus, Theaterstücke anschauen oder vor dem heimischen Fernseher Yoga-Kurse durchführen, ist eine klassische Konstellation für innovative Märkte: Die Anbieter machen Angebote und die Kunden entscheiden.
In lange gewachsenen Kundenbeziehungen geht es nicht um die Frage, ob ein Kunde ein Angebot „gut“ findet. Das hat er längst entschieden. Und er kommuniziert bereits regelmäßig mit dem Unternehmen. Was aber geschieht, wenn sich die Möglichkeiten zur Kommunikation — wie in diesen Tagen – drastisch ändern? Durch die Pandemie und Social Distancing ist der persönliche Kontakt im Kundencenter nicht mehr möglich und Kunden greifen wieder vermehrt auf klassische Kommunikationsmittel wie das Telefon, das Fax oder sogar den Brief zurück.
Beim Anbieter gerät die fein austarierte Balance der Kommunikationswege und der Ressourcen, die dafür vorgehalten werden in Schieflage. Es fehlen Prozesse, es fehlen Ressourcen und zusätzliche Kosten drohen.
Die Chancen der Digitalisierung
Schaut man sich die Effekte der Pandemie etwas genauer an, dann ergibt sich ein anderes Bild. Beispiel Homeoffice. Nicht nur EVU müssen ihre Arbeitsprozesse umstellen, auch der Kunde hat in seinem Arbeitsleben eine andere Konstellation. Er muss zwangsläufig digitale Arbeitstechniken lernen, allen voran die Videokonferenz und die Bearbeitung digitaler Dokumente.
Und diese Konstellation kann der EVU nutzen. Die Selbstablesung mag vor Corona für manche Kunden ein lästiges Übel gewesen sein, jetzt ist sie die einzig richtige Maßnahme, die Kunden und Ableser vor Infektionen schützt. Und schon kann sich der Zwangsabstand positiv auswirken: Kunden müssen nicht auf den Ableser warten, EVU sparen Ressourcen. Aber natürlich nur, wenn es funktioniert.
Energieversorger müssen sich allerdings den Anforderungen stellen, die Kunden an solche Prozesse haben, weil sie zum Beispiel aus anderen Branchen wie dem E‑Commerce verwöhnt sind:
- Informationen müssen jederzeit verfügbar sein
- Der Zugang zu diesen Informationen muss einfach und intuitiv sein
- Kunden erwarten, dass mehr über digitale Kanäle kommuniziert werden kann,
am liebsten Rund um die Uhr (24/7) - Auf „schnellen“ Kanälen wie WhatsApp oder Facebook wird auch schnelle Reaktion erwartet
- Handlungsaufrufe wie „Schicken Sie uns den Zählerstand“ müssen klar und verständlich formuliert sein
- Handlungsfolgen wie etwa die Veränderung einer Abschlagzahlung müssen überdeutlich kommuniziert werden
Gerade die letzten beiden Punkte werden gerne übersehen. Die sorgfältige Gestaltung und Formulierung solcher Kommunikationsbausteine ist deshalb wichtig, weil der Kunde sonst nachfragt. Und zwar telefonisch.
Das kennt der EVU zur Genüge, wenn er bei einer Abrechnung mit Schätzungen arbeiten muss. Schätzungen führen immer zu einer höheren Anzahl von Anrufen bei der Hotline und das muss gerade in diesen Zeiten vermeiden werden, wo es der EVU ja selbst schwer hat, die interne Weiterleitung von Kundenfragen zu orchestrieren.
Die zwei Ebenen der Digitalisierung
Es ist Zeit für eine Überprüfung des aktuellen Stands der Digitalisierung auf zwei Ebenen. Zum einen müssen die internen Prozesse so optimiert werden, dass sie auch weiteren Monaten im Homeoffice standhalten, ohne dass ein „meterlanges“ Backlog entsteht, ein Bearbeitungsstau.
Fast alle Kundencenter haben für Publikumsverkehr nicht geöffnet. Viele sind personell dünner besetzt, weil einige MitarbeiterInnen im Homeoffice arbeiten. Doch können sie dort genauso gut arbeiten wie im Unternehmen? Haben sie Zugriff auf alle Arbeitsmaterialien, Archive und Softwareanwendungen? Wie wirkt sich das auf eingespielte Prozesse aus? Wo drucken sie „mal eben“ eine Vertragsbestätigung, die der Kunde per Post bekommen soll? Können sie die Kollegen im Kundencenter auch in puncto Erreichbarkeit (Telefon, Live-Chat) unterstützen?
Die zweite Ebene ist die Kundenkommunikation selbst. Sie gliedert sich in drei Bereiche:
- Die funktionale Regelkommunikation: Sie trägt zur reibungslosen Erfüllung des Vertrags bei und hat höchste Priorität. Das gilt vor allem für die Ablesung. Daher muss ein für den Kunden bequemer und für Ihre MitarbeiterInnen praktikabler Prozess bereitstehen, um Daten aus der Kundenselbstablesung ohne Medienbruch zeitnah verarbeiten zu können.
- Die situative Service-Kommunikation: Hier verlagert sich viel ins Digitale. Es ergeben sich Veränderungen in der Wahl der Kommunikationskanäle. Jüngere Kunden (20–24jährige) bevorzugen Smartphone-Anwendungen. Die 25–34-jährigen Kunden nutzen vor allem Kundenportale. Die derzeit größte Bevölkerungsgruppe der „Alten“ ist immer noch Fan von klassischen Kommunikationskanälen (Telefon, E‑Mail, Brief). Viele Kunden aus dieser Gruppe lernen aktuell aber rasant dazu, weil zum Beispiel E‑Commerce die einzig mögliche Form des Einkaufens ist. Daher müssen EVU alle Wege anbieten und beherrschen. Spannend ist aber auch, dass die Qualität der Regelkommunikation darüber entscheidet, wie hoch das Aufkommen bei der Service-Kommunikation überhaupt wird. Eine gut gestaltete Abrechnung lässt keine Fragen offen, auch bei Menschen, die eigentlich „Probleme“ mit offiziellen Dokumenten haben. Eine – ganz analoge – Überarbeitung der Standarddokumente kann dabei helfen, dass die digitalen Prozesse besser funktionieren.
- Die Businesskommunikation: Auch der Klassiker des Digitalangebots verdient es, überarbeitet zu werden. Stellen sich potentiellen Neukunden heute andere Fragen, als noch vor der Pandemie? Müssen die „Frequently Asked Questions“ überarbeitet werden? Bietet es sich an, die Antworten auf wiederkehrende Fragen in einen Chat-Bot zu verwandeln, mit dem Kunden rund um die Uhr kommunizieren können? Und wie verändern sich die Reaktionszeiten in der Angebotskommunikation?
Wir von Formware haben uns auf die Digitalisierung des Energieversorgers spezialisiert und können bei vielen der oben genannten Aufgaben helfen. Unser Chat-Bot DialogBird beantwortet nicht nur regelmäßig wiederkehrende Kundenanfragen zuverlässig, sondern kann auch Zählerstände entgegennehmen. Nicht versteckt, irgendwo auf einer Unterseite, sondern ganz prominent auf der Homepage, als digitaler Portier im Dienste Ihrer Kunden. Und wenn der DialogBird mal nicht weiter weiß, übergibt er die Kommunikation an einen menschlichen Servicemitarbeiter.
Unser Connext Cube optimiert die Regelkommunikation. Standarddokumente werden so überarbeitet, dass jeder Kunde sie versteht. Außerdem arbeiten wir mit vielen Kunden auch daran, diese Kommunikation freundlicher und angenehmer zu gestalten, um eine bessere User Experience zu schaffen.
Das Herz des Connext Cube ist aber das Prozessieren der Dokumente. In welcher Form werden sie angelegt, wie werden Daten eingefügt, wie werden sie versendet? Die Umstellung auf E‑Invoicing unterstützen wir mit allen gängigen Formaten wie EDIFACT, ZUGFeRD und XRechnung. Die Anforderungen sind bei jedem EVU anders und wir erarbeiten gemeinsam mit Ihnen eigene Lösungen. Das gilt ebenso für alle Dokumente rund um die Selbstablesung.
Die Steuerung der Kommunikationsprozesse erfolgt in diesen Tagen aus dem Homeoffice. Dafür ist unsere Webanwendung AgentDesk zuständig. MitarbeiterInnen können vom Arbeitsplatz aus sogar Einzelbriefe sicher und komfortabel versenden. Wer im Homeoffice vielleicht nur seinen privaten Computer nutzen kann, nutzt AgentDesk. Übrigens ist Nutzung des Live-Chat ebenso im AgentDesk möglich. So wird das Homeoffice zum Kundencenter.
Das Ergebnis
Es ist leicht zu sehen, dass keine dieser Optimierungen nur für die Dauer der Pandemie wirkt. Es sind Prozess- und Strukturoptimierungen, die langfristige Effekte auf die benötigten Ressourcen einerseits und auf die Kundenzufriedenheit andererseits haben. Wer die schwierige Situation aktiv nutzt, verschafft sich dauerhaft Wettbewerbsvorteile.
Ziel muss sein, Prozesse auch in unvorhersehbaren und schwierigen Situationen funktionsfähig zu halten. Und die Mitarbeiter sollen dort eingesetzt werden, wo sie am meisten Nutzen stiften. Das gilt zum Beispiel für Montage-Teams, die gerade darum kämpfen den SMGW-Pflicht-Rollout zu bewältigen. Das gilt aber auch für den Service-Mitarbeiter, der der einzelnen Kundin in aller Ruhe erklären kann, wie die Selbstablesung funktioniert. Im Chat oder am Telefon, was immer die Kundin wünscht.
Die Customer Experience sollte auf gar keinen Fall unter der aktuellen Lage leiden. Muss sie aber auch nicht.
Autoren:
Joachim Richter, Key Account und Business Development Manager für EVU bei Formware